Während alle übrigen groβen Religionen in jüngster Zeit verstärkt in den Verdacht geraten sind, gewalttätige Konflikte zu begründen, zu schüren oder zu verschärfen, wird der Buddhismus in der Öffentlichkeit weiterhin als eine Religion des Friedens wahrgenommen. Dabei ist hinlänglich bekannt, dass in der Geschichte auch die Vertreter und Institutionen dieser Religion[en] immer wieder aktiv an gewalts amen Auseinandersetzungen beteiligt waren; als Beispiel werden hier die so genannten »Mönchskrieger« des mittelalterlichen Japan herangezogen. Die »kognitive Dissonanz«, die aus dem Widerspruch von historischem Tatbestand und Klischee resultiert, wird zumeist mit Hilfe des »Dekadenztopos« verarbeitet, demzufolge Gewalthandlungen im Namen des Buddhismus als Verfallserscheinung und als eine Abweichung vom grunds ätzlich friedlichen Wesen dieser Religion gewertet werden, die keinesfalls aus der Lehre und der Ethik des Buddhismus selbst heraus zu rechtfertigen seien. Ich versuche demgegenüber zu zeigen, dass im Mahāyāna-Buddhismus schon recht früh ethische Postulate eingeführt wurden, die Gewalt bis hin zur physischen Vernichtung von Menschen ausdrücklich rechtfertigen und die Gebote gegen das Töten relativieren. Diese ethischen Grundsätze wurden zudem mit ontologischen Theorien wie der Lehre von der Substanzlosigkeit alles Seienden, der Nicht-Dualität usw, vermengt, wodurch Gewalt gegen Feinde des Buddhismus zu einer legitimen, mit den Grundsätzen der Religion relativ problemlos zu vereinbarenden Option wurde.